Betriebsrentenstärkungsgesetz – Sozialpartnermodell in der bAV

Betriebsrentenstärkungsgesetz – Sozialpartnermodell in der bAV

28. September 2017

Wahrscheinlich hat es wegen des G20-Gipfels niemand richtig mitbekommen, aber am 7. Juli 2017 ist das “Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentenstärkungsgesetz – BRsG)” beschlossen worden. Die deutsche Sprache ist damit um ein lustiges Wort und die ohnehin schon komplizierte betriebliche Altersvorsorge (bAV) um eine Variante reicher geworden. Es wird zum 1.1. 2018 in Kraft treten und ist für Arbeitnehmer und -geber interessant.

Der Ansporn zum gesetzlichen Handeln ergab sich aus der statistischen Feststellung, dass insbesondere gering verdienende aber auch sonst eigentlich alle Arbeitnehmer meist keine oder zu wenig Altersvorsorge betreiben und die vom Staat geschaffenen Förderinstrumente so ins Leere laufen. Andererseits kämpfen bestehende Modelle mit dem Spagat zwischen zu erfüllenden Garantien und Renditeerwartungen der Kunden im aktuellen Niedrigzinsumfeld.

Um die bAV populärer zu machen, setzt das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz auf die Tarifpartner. Diese sollen quasi von oben durch Tarifvertrag für die jeweiligen Arbeitnehmer einen bAV-Tarif einführen dürfen. Dem Arbeitnehmer bleibt zwar die Option, sich dem zu entziehen (opting-out), das Prinzip wird jedoch bewusst umgekehrt, damit – so die Hoffnung – mehr mitmachen.

Keine Garantien mehr

Die gemessen an den anderen bAV-Varianten wirkliche “Revolution” ist die in diesen Tarifen vorgeschriebene reine Beitragszusage ohne Garantien. D.h. der Arbeitgeber, der in der bAV bekanntlich der Versicherungsnehmer ist, leistet den Beitrag, ohne dass er gleichzeitig dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn am Ende z.B. weniger als die eingezahlten Beiträge für die Verrentung zur Verfügung stehen. Er ist also von der Haftung befreit und steht lediglich für die sogenannte Zielrente ein, also die Rente entsprechend der geleisteten Beiträge. Arbeitgeber und Beschäftigte, die nicht tarifgebunden sind, können vereinbaren, dass die entsprechenden Tarifverträge ihrer Branche auch für sie gelten sollen.

In den anderen Modellen der bAV muss der Arbeitgeber darauf aufpassen, den richtigen Versicherer mit dem richtigen Tarif auszuwählen, der ihn an dieser Stelle mit Garantien entlastet. Abgesehen von einem dann immer noch verbleibenden theoretischen Restrisiko für ihn erfordert die Beratung externe Experten und firmeninterne Verwaltung.

Durch eine Branchenlösung erhofft man sich Kostenvorteile, da eine Beratung bzw Vermittlung und damit die entsprechenden normalerweise in den Tarifen verrechneten Vertriebskosten wegfallen. Kontrolliert werden die Tarife auf ihre Rechtmäßigkeit von der BaFin wie andere Finanzprodukte auch. Umgekehrt bedeutet die neue Variante, dass der Arbeitnehmer in diesen Tarifen keinerlei Garantien mehr bekommt, weder auf die Beitragssumme noch auf etwaige Renditen.

Arbeitgeber muss seine gesparten Sozialabgaben weiter geben

Die in der betrieblichen Altersvorsorge am häufigsten genutzte Form ist die sogenannte Entgeltumwandlung. Das heißt ein Arbeitnehmer wandelt einen Teil seines Entgeltes (Lohns) um in Altersvorsorge. Die staatliche Förderung entsteht dadurch, dass dieser Betrag nicht am Ende, also netto, vom Gehalt sondern auf der Gehaltsabrechnung ganz oben, nämlich vom Brutto abgezogen wird. Dadurch senkt sich der Bruttolohn und damit der Messwert, auf den Sozialabgaben und Steuern berechnet werden. Die Sozialabgaben zwischen Arbeitgeber und -nehmer geteilt werden, hat bei diesem Modell auch der Arbeitgeber eine Ersparnis. Er hat also einen Vorteil davon, dass sein Angestellter Altersvorsorge betreibt. Schlaue Arbeitgeber haben auch in der Vergangenheit diese Ersparnis schon als zusätzliche Förderung in die bAV des Arbeitnehmers weitergereicht. Durch das neue Gesetz wird der Arbeitgeber ab 2019 nun dazu verpflichtet. Dies gilt nicht für Direkt- und Unterstützungskassenzusagen, die jedoch nicht die Masse der Arbeitnehmer betreffen. Für bestehende Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung gibt es eine Übergangsfrist bis 2022.

Steuerfreier Höchstbeitrag steigt auf 8%

Für die bisherigen Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, U-Kasse und Direktzusage) wird der steuerfreie Höchstbeitrag der Entgeltumwandlung von vier auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (West) angehoben; der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag bleibt bei vier Prozent.

Verbesserungen für Geringverdiener

Als Geringverdiener gilt man bis 2.200 Euro Bruttoeinkommen. Um solche Geringverdiener stärker als bisher zu fördern, werden neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung gesetzt. Zahlt der Arbeitgeber für zusätzliche Altersvorsorge mindestens 240 Euro ein, so kann er 30 Prozent von der Lohnsteuer des Arbeitnehmers behalten, die im Wege der Verrechnung mit der vom Arbeitgeber abzuführenden Lohnsteuer ausgezahlt wird. Für Beiträge von mindestens 240 bis 480 Euro im Kalenderjahr beträgt der Förderbetrag somit 72 bis maximal 144 Euro im Kalenderjahr.

Verbesserung der Riester-Rente

Zusätzlich zu den zuvor genannten Maßnahmen wurden Verbesserungen im Bereich der Riester-Rente auf den Weg gebracht. Die jährliche Grundzulage wird von 154 Euro auf 175 angehoben. Es werden die Verfahren verbessert, insbesondere durch eine kürzere Frist für die Überprüfung des Zulageanspruchs durch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen, was sich zugunsten vieler Verträge auswirken dürfte.

Bewertung

Die meisten Versicherungsexperten sehen positiv, dass das Geld über die langen Laufzeiten risikoreicher investiert werden kann, da keine Garantien mehr ausgesprochen werden. Dem würde ich mich anschließen. Da dies dem sicherheitsgeprägten deutschen Gefühl für Investment zuwiderläuft, wird man sehen, wie erfolgreich die sog. Nahles-Rente angenommen werden wird. Auch ist dies noch keine Garantie für gute Vertragskonditionen bzw gute Investitionsmodelle. Der unabhängige Versicherungsexperte/ -vermittler, der hier bewußt aus dem Spiel genommen wurde, hat an dieser Stelle ja auch eine Filterfunktion im Markt. Die entscheidenden Schwachstellen von Altersvorsorgeverträgen sind immer im Kleingedruckten versteckt: nicht garantierte Rentenfaktoren, Anpassungsmöglichkeiten über § 163 VVG, etc. Die eingesparten Kosten könnten zum Bumerang werden, wenn sich die Arbeitgeber bei der Entwicklung der Vertragsmodelle keine von den Versicherern unabhängige Expertise holen. Typische Probleme aus der Praxis wie sie z. B. beim Thema der Portabilität von Verträgen beim Wechsel des Arbeitgebers auftreten sind weder für die bestehenden bAV Möglichkeiten verbessert worden noch spielen sie im BRSG eine Rolle.

Die Verbesserungen für Riesterverträge, “Geringverdiener” und die Erhöhung der steuerfreien Höchstgrenzen sind in jedem Fall positiv und waren längst überfällig. Ganz nebenbei trifft die Politik entgegen vorangegangener gegenteiliger Behauptungen damit die Aussage, dass Riester sich doch lohnt 😉