Rechnungszinssenkung und (mal wieder) Riester

Rechnungszinssenkung und (mal wieder) Riester

4. Juni 2021

Zum Jahreswechsel 2022 wird – wie letztmalig 2017 – der sogenannte “garantierte Rechnungszins” abgesenkt. Die Gründe dafür hängen mit der Niedrigzinsphase zusammen.

Der Rechnungszins ist ein Guthabenzins, also ein positiver Zins für den Kunden. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Altersvorsorge, sondern auch auf andere Versicherungsarten wie z.B. Berufsunfähigkeitsabsicherungen oder die private Krankenversicherung, weil der Zins auch hier rechnerisch die Grundlage bildet. Wer in dieser Hinsicht Absicherung sucht, dem sei geraten, sich jetzt zu kümmern oder ab 2022 für die gleiche Leistung mehr zahlen zu müssen …

Zu 2022 wird der Zins von jetzt 0,9% auf dann 0,25% abgesenkt. Das hat in diesem Fall für eine Form der Altersvorsorge dramatische Folgen – die Riester-Rente. Zumindest, wenn sich an der gesetzlichen Grundlage für Riester bis dahin nichts ändert. Da aktuell mal wieder ordentlich auf die Riester-Rente eingeprügelt wird (Heute-Show vom 21.05.2021), möchte ich hier kurz einige Dinge klarstellen, die so auch von anderen Experten (Dr. Michael Hauer vom Institut für Vorsorge- und Finanzplanung z.B.) geteilt werden:

Zunächst einmal das Wichtigste für alle die, die einen solchen Vertrag haben und betreiben. Für euch ändert sich gar nichts. Weder wird bei euch der Rechnungszins abgesenkt noch ist euer Vertrag weniger lohnenswert als vorher oder hat mehr Kosten … es ändert sich – nichts! Eine Gesetzesänderung gilt immer erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens und demzufolge für dann neu abzuschließende Verträge ab 2022.

Keine Riester-Verträge mehr ab 2022!?

Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Riester Rente wird es jedoch ab 2022 keine neuen Verträge mehr geben, weil die Anbieter – sprich: die Versicherungsgesellschaften – mit dem neuen Rechnungszins die gesetzlichen Vorgaben nicht mehr erfüllen können werden. Warum ist das so?

Das Gesetz sieht eine 100%ige Bruttobeitragsgarantie vor. Alle eingezahlten Beiträge müssen also ohne Abzug von Kosten (brutto) bei Rentenbeginn mindestens zur Verfügung stehen. Diese gesetzliche Vorgabe ist technisch mit einem Rechnungszins von 0,25% innerhalb einer normalen Ansparzeit von ca 30 Jahren nicht mehr zu erfüllen – so einfach ist das. Das gleiche gilt übrigens für eine Spielart der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) – die sogenannte “Beitragszusage mit Mindestleistung”. Auch die wird es nächstes Jahr nicht mehr geben, aber darüber regt sich niemand auf … naja, kennt ja auch niemand 😉

Herr Welke ärgert sich über Riester – zu recht?

Herr Welke, den ich sonst sehr schätze, echauffiert sich in seiner Heute Show vom 21.05.2021 u.a. darüber, dass die Versicherer die Idee haben, die Beiträge ab 2022 nicht mehr zu 100% zu garantieren. Doch genau das wäre die Lösung und eine möglicher Reformansatz. Das Pferd ist eben doch noch nicht tot und könnte sogar ganz einfach reformiert werden. Niedrigere Garantien bedeuten niedrigere Kosten für den Kunden, wie der von Welke dazu zitierte Ökonom Hartmut Walz in einem nicht in der Sendung wiedergegebenen Statement sagt: „Ich finde die Garantie zu teuer, sie hilft nichts und sie macht bei ganz vielen Leuten die Altersvorsorge kaputt. Das ist ökonomisch auch eindeutig, da sind alle Fachleute sich einig.“ Herr Welke, bitte nächstes Mal, wenn Sie wieder so tief in Tarifdetails einsteigen wollen, zu den Zusammenhängen einfach mal vorher 15 Minuten mit einem Experten telefonieren!

… die hohen Verwaltungskosten sind schuld!

Auch die angeblich viel zu hohen Verwaltungskosten werden in der Sendung von Welke thematisiert. Ja, ein Riester Vertrag hat tatsächlich um ca 0,5% höhere Verwaltungskosten als andere geförderte Altersvorsorgeverträge. Das ist jedoch hauptsächlich staatlichen Auflagen zur Dokumentation geschuldet und der Tatsache, dass die Versicherer zusätzlich mit einer Behörde – der Zulagenstelle – kommunizieren müssen. Ansonsten kennen die Verwaltungskosten seit Jahren bei fast allen Versicherern aufgrund der Digitalisierung nur eine Richtung: nach unten.

Aus seiner Annahme überhöhter Verwaltungskosten folgert Welke – wie bereits so viele Kritiker vor ihm -, dass sich ein Riester-Vertrag ja gar nicht lohne, da die Kosten die Rendite vernichten. Herr Welke, da haben Sie sogar recht, ohne es vollständig verstanden zu haben! Allerdings trifft das nur auf den Teil der Verträge zu, der auch ohne die zusätzlichen Verwaltungskosten durch Riester unrentabel gewesen wäre – sprich: von den Versicherern im Sinne einer sinnvollen Geldanlage völlig falsch konstruiert wurde.

Teufelsdreieck: Rendite – Kosten – Garantie

Alle Verträge, in denen das Geld der Kunden zu großen Teilen und über weite Strecken der Laufzeit in eine Fondsanlage  – also in den Kapitalmarkt – fließt, haben kein Problem mit höheren Kosten! Leider gibt es nicht viele Versicherer, die in diesem Sinne gute Tarife anbieten. Zudem erfordert ein solcher Tarif eine größere Kompetenz des Beraters und eine gewisse Risikobereitschaft des Kunden. Und genau hier liegt der Hund begraben. Zu viele Menschen – so wie Sie, Herr Welke, offenbar auch – unterliegen einem Wunschdenken und stellen sich die berühmte eierlegende Wollmilchsau vor: alles soll sicher sein und so viele Garantien wie möglich haben bei gleichzeitig hoher Rendite und niedrigen Kosten. Tut mir leid, Herr Welke, wenn ich Sie da auf den Boden der Realität zurück holen muss: das ist leider noch nicht erfunden!

Die Gründe dafür kann man sich durch Nachdenken auch ganz einfach klar machen:

  • Ziel hohe Rendite: ein Tarif, der auf die Erzielung einer möglichst hohen Rendite hin konstruiert ist, kann mit Garantien funktionieren, wenn ein Vermögensmanagement dahinter steckt. Das wiederum verursacht Kosten. Diese werden über die höhere Rendite mehr als ausgeglichen. Ansonsten lässt man die Garantien einfach raus, um das Dilemma zu lösen. Das würde es dem Versicherer erlauben, das Geld des Kunden fast vollständig und über eine großen Teil der Laufzeit am Kapitalmarkt anzulegen. Das Ziel einer hohen Rendite bedeutet also zumindest die Einschränkung der Garantie.
  • Ziel hohe Garantien: Aufgrund der Garantien kann das Geld nur sehr konservativ, sprich: rendite-arm angelegt werden. Da die Verwaltung des Geldes nicht viel kostet, hat der Vertrag zwar grundsätzlich geringere Verwaltungskosten, diese jedoch fressen die zu niedrige Rendite trotzdem auf. Der Tarif ist im Sinne einer sinnvollen Geldanlage über eine lange Laufzeit falsch konstruiert, da es die Konstruktion an sich von vornherein nicht erlaubt, auch die Inflation zumindest auszugleichen: Der Kunde hat bei Tarifen mit viel Garantie am Ende immer weniger raus als er eingezahlt hat.
  • Ziel geringe Kosten: sowohl die Geldanlage am Kapitalmarkt als auch Garantien kosten Geld. Ein Tarif, der ausschließlich auf Kostenreduktion ausgerichtet wäre, dürfte demnach weder Garantien bieten noch eine sinnvolle Geldanlage. Das wäre völlig sinnfrei und ist mir aus der Praxis auch nicht bekannt.

Was ist zu tun?

Gegen die Rechnungszinssenkung kann man sich leider nicht wehren – die ist wie gesagt schon beschlossen … Aber nochmal: Wer sich für eine Berufsunfähigkeitsabsicherung (BU) oder eine private Krankenversicherung interessiert, dem sei geraten, sich jetzt zu kümmern oder ab 2022 für die gleiche Leistung mehr zahlen zu müssen …