Pflegestärkungsgesetz – reicht das, oder braucht man eine private Pflegeversicherung?
8. September 2017
Ich nehme die durch das Pflegerentenstärkungsgesetz (PSG) 2017 in Kraft getretene Pflegereform zum Anlass, um mich in diesem Beitrag einer Frage zu widmen, die immer mehr Menschen umtreibt:
Muss ich wirklich für die Pflege privat vorsorgen oder reicht die staatliche Leistung?
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beantwortet dies eindeutig: „Da die gesetzliche Pflegeversicherung nur die Grundversorgung absichert und die tatsächlichen Pflegekosten in der Regel höher ausfallen, ist eine zusätzliche private Vorsorge wichtig“. (Auszug aus „Ratgeber Pflege“ des Bundesministerium für Gesundheit, Stand März 2017/ S.29)
Hier könnte dieser Artikel nun enden, da ich dem BMG uneingeschränkt folge. Wer jetzt schon weiß oder ahnt, dass er später nicht über die Mittel verfügen wird eine vollstationäre Pflege mit 3.000 bis 5.000 € monatlichen Kosten bezahlen zu können, keine reiche und ihm wohlgesinnte Verwandtschaft hat und ggf auch schon das eine oder andere Zipperlein entwickelt hat, der läuft Gefahr, dass der letzte Lebensabschnitt unschön wird. Wie es aktuell in preiswerten Pflegeheimen zugeht, brauche ich hier als Drohkulisse nicht auszubreiten, weil es bekannt ist. Ebenso bekannt ist, dass die Verwandtschaft in gerader Linie – also z. B. die Kinder – gesetzlich verpflichtet sind, für ihre pflegebedürftigen Eltern aufzukommen. Das kommt, wenn es so weit ist, meist finanziell und zeitlich äußerst ungelegen.
Früher war alles besser?
Man kann das alles ignorieren, weil es unromantisch ist und hoffen, dass es einen schon nicht betreffen wird. Aber eigentlich wissen wir es besser. Und wir wissen auch, dass die Statistik gegen uns ist. Pflegebedürftigkeit ist meist die Folge schwerer Krankheiten, die in der Regel plötzlich und unerwartet eintreten. Früher als in Deutschland noch größere Familien mit mehreren Generationen unter einem Dach oder wenigstens nah beieinander wohnten, konnte das über die Familie aufgefangen werden, weil immer jemand da war, der gerade Zeit hatte. Wir vergessen, dass der Preis dafür ein hoher Grad an Einmischung in individuelle Lebensläufe gewesen ist – und damit das Gegenteil von Freiheit. Dies hat sich heute alles hin zu mehr individueller Freiheit und Professionalisierung der Lebensbereiche – angefangen bei der Betreuung im Kindergarten – verschoben. Insbesondere Familien, bei denen sich beide Partner heute auch beruflich verwirklichen wollen, haben keine Chance eine Pflege ihrer Eltern leisten zu können, ohne selbst Gefahr zu laufen, krank oder gar berufsunfähig zu werden. Wir sollten daher akzeptieren, dass auch der letzte Lebensabschnitt heute in professionelle Hände gehört.
Eltern sollten sich selbst zuerst absichern
Das bedeutet aber auch finanzielle Vorsorge zu treffen, damit die eigenen Kinder genau in der Zeit ihres Lebens nicht belastet werden, in der sie für gewöhnlich durch Beruf und Familie selbst die höchste physische und finanzielle Belastung haben. Viele junge Eltern fragen mich, was ich ihnen für ihren Nachwuchs empfehle. Sie wollen für ihre Kinder Geld zurück legen, sie absichern, manchmal schon eine Altersvorsorge abschließen. Ich empfehle ihnen dann zwar nicht direkt die Pflegeabsicherung – weil das einfach zu unromantisch in diesem Moment rüber kommt – aber rational gehandelt wäre es das Beste, was sie für die Zukunft ihrer Kinder tun könnten. Wer schon einmal geflogen ist, weiß, dass es in den Notfallanweisungen immer heißt: “Setzen Sie sich die Sauerstoffmaske selbst zuerst auf – danach helfen Sie anderen.” Beim Thema Pflege gilt das gleiche. Wie wollen Sie in der Lage sein Ihren Kindern zu helfen, wenn Sie selbst notleidend werden? Sorgen Sie für Ihre Rente vor, achten Sie darauf, dass Sie abgesichert sind für den Fall einer Berufsunfähigkeit und last but not least: belasten Sie Ihre Kinder nicht mit möglichen Kosten für Ihre Pflege. Wenn Sie das geregelt haben, haben Ihre Kinder die besten Chancen, für sich selbst sorgen zu können, ohne in Zwangslagen zu geraten.
Das Vermögen der Familie schützen
Eine Pflegeversicherung hilft, das Vermögen der Familie zu schützen. Letztlich nicht anders als bei einer Hausrat auch. Wer es sich leisten kann, seinen Hausrat nach einem Brand einfach komplett neu zu kaufen und das auch gut so findet, der braucht keine Hausratversicherung. Pflegeversicherungen gibt es in verschiedenen Formen und als Tagegeld muss es gar nicht teuer werden. Das wäre Sache einer individuellen Beratung …
Die Versicherungsbedingungen einer Pflegeversicherung umfassen immer einen privaten Teil und den gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Dabei kann der private Teil über den gesetzliche Rahmen hinaus gehen, so dass man schon früher Hilfe bekäme, als nach den gesetzlichen Kriterien oder direkt daran gekoppelt sein. Ändert sich der gesetzliche Rahmen, müssen die Konditionen des Vertrages angepasst werden. Da wir in einem Rechtsstaat leben, kann dies immer nur zum Vorteil des Kunden geschehen, wenn in bestehende Verträge eingegriffen wird. Das bedeutet umgekehrt, dass ein jetzt geschlossener Vertrag über die Zeit nicht schlechter wird. Je früher man sich dafür entscheidet, desto geringer wird der Beitrag sein.
Was hat sich durch das PSG III zu 2017 geändert?
Zum 01.01.2017 wurde das System zur Einstufung von Pflegefällen von 3 Pflegestufen auf 5 Pflegegrade und die Definition von Pflegebedürftigkeit geändert. Im Vordergrund steht nun die passgenaue Hilfe, die dazu dienen soll, die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten Pflegebedürftiger zu erhalten und zu stärken. In sechs Lebensbereichen (Modulen) wird der Grad der Selbständigkeit, also das Ausmaß, in dem die pflegebedürftige Person sich noch selbst ohne fremde Hilfe versorgen kann, eingeschätzt. Selbständigkeit und Fähigkeiten werden mit Punkten bewertet. Die sich aus den gewichteten Modulen ergebende Gesamtpunktzahl ergibt den jeweiligen Pflegegrad. Die individuelle Lebenssituation und die individuellen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten werden so besser berücksichtigt.
Auf dieser Grundlage erhalten seit 2017 alle Pflegebedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, unabhängig davon, ob sie von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen betroffen sind. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der besseren Einstufung von Menschen mit Demenz. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen wurde der Beitragssatz der Pflegeversicherung zum 1. Januar 2017 noch einmal um 0,2 Prozentpunkte angehoben, wodurch dann insgesamt etwa fünf Milliarden Euro jährlich mehr für Pflegeleistungen zur Verfügung stehen.
Pflegerentenreform durch PSG II und PSG III – Das gilt seit 1. Januar 2017
- Die Pflegebedürftigkeit wird neu definiert (§ 14 SGB XI).
- Es wird ein neues Begutachtungsverfahren (NBA) eingeführt (§§ 14, 15, 18 SGB XI).
- Die drei Pflegestufen einschließlich der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (bis zum 31. Dezember 2016: § 45a SGB XI) werden durch fünf Pflegegrade ersetzt (§ 15 SGB XI).
- Der Beitragssatz der sozialen Pflegeversicherung wird um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent (2,8 Prozent für Kinderlose) angehoben (§ 55 SGB XI)
- Die einzelnen Leistungen werden mit neuen Leistungshöhen für die fünf Pflegegrade hinterlegt
- Für ehrenamtliche Pflegepersonen werden künftig Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlt. Voraussetzung ist, dass sie mindestens 10 Stunden pro Woche, verteilt auf regelmäßig mindestens 2 Tage pro Woche einen oder mehrere Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen (§§ 19, 44 SGB XI). Während einer Pflegezeit nach dem PflegeZG werden für Pflegepersonen allerdings keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge mehr gezahlt (§ 44a SGB XI).
- Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 haben nur Anspruch auf bestimmte Leistungen der Pflegeversicherung (§ 28a SGB XI).
- Ein Beratungseinsatz kann künftig halbjährlich auch von Versicherten mit Pflegegrad 1 oder von Versicherten, die ambulante Pflegesachleistungen beziehen, in Anspruch genommen werden (§ 37 Abs. 3 SGB XI).
- Der so genannte Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro im Monat ersetzt den bisherigen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Er kann nahezu identisch verwendet werden (§ 45b SGB XI).
- Die niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote werden in Angebote zur Unterstützung im Alltag umbenannt und umfassen Betreuungsangebote, Angebote zur Entlastung von Pflegenden und Angebote zur Entlastung im Alltag (§ 45a SGB XI).
- Leistungen der teilstationären Pflege können neben dem pauschalen Zuschlag von 214 Euro in ambulant betreuten Wohngruppen nur in Anspruch genommen werden, wenn der Medizinische Dienst festgestellt hat, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist (§ 38a Abs. 1 Satz 2 SGB XI).
- Bei vollstationärer Pflege wird künftig ein einrichtungseinheitlicher Eigenanteil – bezogen auf die pflegebedingten Aufwendungen – abgerechnet, der für alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 gleich hoch ist (§ 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI).
- Hinsichtlich der Leistungshöhe bei vollstationärer Pflege wird nicht mehr differenziert, ob die Pflege in der vollstationären Einrichtung erforderlich ist oder nicht (§ 43 SGB XI).
- Die Pflegehilfsmittel-Empfehlungen in Pflege-Gutachten gelten als Antrag auf Leistungsgewährung, sofern der Versicherte zustimmt (§ 18 Abs. 6a SGB XI).
- Versicherte, die am 31. Dezember 2016 einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben, werden zum 1. Januar 2017 automatisch von Pflegestufen in Pflegegrade übergeleitet. Eine Antragstellung oder erneute Begutachtung ist also nicht erforderlich. Die Zuordnung zu dem Pflegegrad wird den Versicherten von der Pflegekasse oder von dem privaten Versicherungsunternehmen schriftlich mitgeteilt (§ 140 Abs. 2 SGB XI).
- Durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollen sich die Versicherten, die am 31. Dezember 2016 bereits Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, nicht verschlechtern. Daher bleibt der übergeleitete Pflegegrad dem Versicherten für die Dauer des Versicherungsfalls erhalten. Liegt keine Pflegebedürftigkeit mehr vor, entfällt jedoch dieser Bestandsschutz. Wird ein höherer Pflegegrad festgestellt, gilt dieser (§ 140 Abs. 3 Satz 1 SGB XI).
- Der übergeleitete Pflegegrad bleibt auch erhalten bei einem Wechsel der Pflegekasse, des privaten Versicherungsunternehmens oder bei einem Wechsel von privater zu sozialer Pflegeversicherung oder umgekehrt (§ 140 Abs. 3 Satz 2 bis 4 SGB XI).
- Pflegebedürftige haben hinsichtlich der regelmäßig wiederkehrenden Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 38a, 40 Abs. 2, 41, 44a, 45b, 123, 124 SGB XI in der Fassung vom 31. Dezember 2016, die ihnen am 31. Dezember 2016 zustehen, Besitzstandsschutz (§ 141 Abs. 1 SGB XI).
- Besondere Besitzstandsschutzregelungen gelten für (§ 141 Abs. 2 bis 8 SGB XI):
- den erhöhten Betrag nach § 45b SGB XI (in der Fassung vom 31. Dezember 2016)
- lstationäre Leistungen, wenn sie am 31. Dezember 2016 bezogen wurden, und
- die Rentenversicherungsbeiträge für die Pflegeperson.
- Für private Pflegeversicherungsverträge gibt es unter bestimmten Voraussetzungen ein Sonderanpassungsrecht für die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die technischen Berechnungsgrundlagen (§ 143 SGB XI).
- Hier finden Sie den Gesetzestext PSG III: Link
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