Riester-Rente – Kommentar zur aktuellen Diskussion
4. Mai 2016
Aktuell wird mal wieder durch Medien und sogar von Teilen der Politik auf die Riester-Rente eingehauen. Das ist verunsichernd für diejenigen, die einen solchen Vertrag als Teil ihrer Altersvorsorge betrachten, irritiert aber auch sonst alle anderen, da der Eindruck entsteht, dass kapitalgedeckte Altersvorsorge allgemein nicht sinnvoll ist. Auch wenn Ihr vielleicht gerade von beidem nicht betroffen seid, empfehle ich die Mail zu ende zu lesen, da es hier um ein viel grundsätzlicheres Problem geht, das systemimmanent ist und in den Medien nicht beleuchtet wird.
Ist die Riester-Rente wirklich so schlecht wie sie gerade gemacht wird?
Bezug nehmen möchte ich z. B. auf diesen Artikel der Welt, der den Leser mit vielen offenen Fragen zurück lässt aber im Ganzen noch ganz gut ist. Der zentrale Satz in dem Artikel ist: „Es ist nicht die Idee, die falsch ist, es sind die schlechten Produkte“, sagt IVFP-Geschäftsführer Thomas Dommermuth. Er hält die Hälfte der Riester-Angebote für schlecht, ein Drittel nennt er gar „Schrott“. Lediglich zehn bis 15 Prozent der Anbieter seien sehr gut.“
Diejenigen, die schon mal in meiner Altersvorsorgeberatung waren wissen, dass ich genau dieses Problem thematisiere: Wenn überall Riester drauf steht – wo sind denn dann die Unterschiede und welchen Riester soll man denn dann wählen?!
Die allgemeine Antwort, die ich hier geben möchte, ist folgende: Man kann zunächst mal ganz grundsätzlich fondsgebundene und nicht-fondsgebundene Produkte (z. B. Riester-Verträge) unterscheiden. Die nicht-fondsgebundenen sind in der Anlagestrategie baugleich mit einer sog. Kapitalbildenden Lebens- oder Rentenversicherung – kurz KLV. Also quasi innen KLV, außen Riester. Dabei vertraut der Kunde darauf, daß das Unternehmen „Versicherung“ Gewinne erwirtschaftet und sie mit ihm teilt. Der Kunde macht in diesem Fall also die Erträge seines Geldes von nur einem Unternehmen, das oft in nur einem Land und in nur einer Branche tätig ist abhängig. Mit Risikodiversifizierung – also das Risiko von Verlusten durch Streuung abzufedern – hat das nichts zu tun.
Aktuell sehen wir nun gerade, was passiert, wenn es dieser einen Branche aufgrund der Niedrigzinsphase nicht so gut geht: Die Überschussbeteiligungen (= Gewinnausschüttungen an die Kunden) sinken. Das tun sie übrigens schon seit den 90er Jahren. Aber das nur nebenbei. Wenn also in der Presse von den Schwierigkeiten der Versicherer die Rede ist, Überschüsse (= Gewinne) zu erwirtschaften, dann sind immer diese Produkte gemeint – KLVs. Obwohl der Bund der Versicherten schon seit Jahren davor warnt, gibt es davon in Deutschland über 90 Millionen Verträge. Kein Wunder also, dass von der Branche nach der Politik gerufen wird – aber wir kommen ab …
Medien, die Riester allgemein als gescheitert darstellen, differenzieren weder nach Anlagemodell noch wird vernünftig beleuchtet, was eigentlich die guten 10-15% der Verträge so gut macht. Ich habe jedenfalls in dieser seltsamen Debatte noch nicht gelesen, dass es eine Leistung der Versicherer fondsgebundener Produkte ist, mit neuen Anlagemodellen den Spagat zwischen gesetzlich vorgeschriebener Bruttobeitragsgarantie und Investment einigermaßen kundenfreundlich zu lösen. Also den Widerspruch zwischen einer Garantie zum Erhalt des eingezahlten Geldes (Sicherheit) und der Erwartung des Kunden an eine hohe Rendite (Risiko) und damit an eine hohe Rente. So, und da sieht man schon wie kompliziert das ist, wenn wir uns nur über den Teil einer Beratung unterhalten, in dem gefragt wird: „Wie wird mein Geld in dem Vertrag eigentlich angelegt?“
Dabei haben wir ja noch gar nicht darüber gesprochen, wie das Riester-Konzept überhaupt funktioniert und weshalb es sowohl für die allein erziehende Mutter mit drei Kindern als auch für den gut verdienenden Angestellten sinnvoll gestaltet ist. Das möchte ich hier jetzt nicht vertiefen, aber alle Alternativen, von denen z. T. jetzt die Rede ist (Deutschland-Rente, etc) lassen mindestens genauso viele Fragen offen wie sie vorgeben zu klären.
Mein vorläufiges Fazit dieser Debatte
- Das Thema Altersvorsorge ist sehr komplex. Und zwar nicht, weil Produkte wie Riester, betriebliche Altersvorsorge oder Rürup komplex sind – das kommt nur erschwerend hinzu. Sondern ganz einfach weil es etwas mit Geldanlage zu tun hat und dies wiederum mit einem Basiswissen über ökonomische Zusammenhänge.
- Ohne ein solches Wissen kann bei den Menschen auch kein Vertrauen in ein Investment in unsere Wirtschaft (Aktien, Aktienfonds, ETFs, etc) entstehen. In der Folge herrschen im allgemeinen Denken in Deutschland renditeschwache Sicherheitskonzepte vor. Oder wie erklärt es sich sonst, daß seit vielen Jahren ca. 2 Billionen Euro auf deutschen Girokonten herum liegen, die nicht erst seit der Niedrigzinsphase jedes Jahr alleine durch die Inflation an Wert verlieren? Aber das scheint niemanden zu stören – wohl aus Unkenntnis.
- Das Konzept hinter Riester ist absolut stimmig – und zwar sowohl vom sozialen Aspekt her als auch wirtschaftlich, wenn wir über fondsgebundene Produkte sprechen.
- Wenn wir jedoch eine „klassische“ KLV als Grundlage eines Riester-Vertrages annehmen, dann stimmt die wirtschaftliche Rechnung tatsächlich nicht. Dies gilt dann jedoch auch für alle anderen Formen, denen eine KLV zugrunde liegt und ist damit kein Riester-Problem. Übrigens waren KLVs auch schon in Zeiten besserer Verzinsung unwirtschaftlich. Denn wie sah denn das wirtschaftliche Umfeld aus, in der ein Versicherer in einer KLV der 90er Jahre bis zu 4 % Garantieverzinsung gegeben hat? Die Inflation lag bei 3-5% und an der Börse konnte man ein Vermögen verdienen. Mit anderen Worten: Auch damals schon wurden die Käufer dieser Verträge mit ihrer Unkenntnis und dem Versprechen einer vermeintlichen Sicherheit der garantierten Verzinsung abgezockt. Denn nach Kosten und Inflation hatten damals auch diese Verträge eine Rendite von unter einem Prozent – genau wie aktuell angebotene.
- Als liberal denkender Mensch stehe ich persönlich Zwangskonzepte wie der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) oder einer Rundfunkgebühr kritisch gegenüber, da sie nur allzu leicht Spielball politischer Strömungen werden können. Die Einführung einer kapitalgedeckten Altersvorsorge (u.a. mit Riester) war ein Schritt der Politik, den Bürger in die Pflicht seiner Verantwortung zu nehmen – und zwar auch der, sich zu informieren. Seit der Finanzkrise 2008 hat sich die Stimmung wieder hin zu mehr staatlicher Intervention und Protektion verschoben. Daher die aktuelle Debatte auch über die GRV.
- Es hilft aber alles nix: Wie man es dreht oder wendet – am Ende ist es besser, sich zu informieren, zu lernen und sich mit so schrecklichen Themen wie Wirtschaft, Versicherung und Altersvorsorge ein bisschen Zeit zu verbringen 😉 Es gibt ja auch andere Dinge, die man erst nach der Schulzeit lernen muss …
Herzlichen Glückwunsch – Du bist einer der wenigen Leser, die es bis hier durch gehalten haben! Schreib mir doch einfach Deine Meinung oder hast Du Fragen? Vielleicht kennst Du ja auch jemanden, der gerade Hilfe oder guten Rat bei diesem Thema sucht … Dann schick ihm doch einfach meinen Kontakt (nicht die Mail! – das könnte abschrecken 😉
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